Soziologin Lena und ihr Kollege Oliver treiben die für ihre Generation typischen zivilgesellschaftlichen Themen um, wie soziale Ungleichheit, Klimawandel, Flüchtlingskrise und Gendergerechtigkeit. Finanzielle Sorgen kennen sie seit dem Ende ihres Studiums nicht mehr. Dennoch waren Spenden bisher kein Thema für sie – bis zu diesem Gespräch. GOLDWIND haben sie erzählt, was sie bisher vom Spenden abhielt und warum sie sich einen Spend-O-Mat wünschen.
Spendet ihr?
Oliver: Nein. Wenn man mal von ein paar Euros für einen Obdachlosen absieht.
Lena: ...und der Altkleiderspende. Aber sonst ist es auch bei mir nicht mehr.
Warum nicht?
Oliver: Unachtsamkeit. Ich habe das nicht im Blick, das ist einfach kein Thema. Ich habe mal ein Buch über Effektiven Altruismus gelesen. Das fand ich sehr spannend. Und ich war mal kurz davor, für Wikipedia zu spenden, weil ich das total wichtig finde, was die machen. Die stellen uns so viel Wissen zur Verfügung. Aber dann habe ich es doch nicht gemacht.
Lena: Ich würde eher für Mädchen und Bildung spenden, damit in deren Zukunft investiert wird. Aber das Thema ist meist so weit weg und super abstrakt. Es müsste in Deutschland sein, da gibt es auch zu viel Chancenungleichheit. Am besten noch in Köln, dann hätte ich auch den regionalen Bezug. Und ich bräuchte wohl eine Geschichte, die mich überzeugt, ein einzelner Fall, der mich berührt. [überlegt] Zum Thema Frauen: Beschneidung müsste auch mehr bekämpft werden. Gut, das wäre dann doch im Ausland. [überlegt weiter] Kinderhospize finde ich auch beeindruckend. Und für Brandopfer würde ich spenden, weil die Folgen so krass sind, die ganzen Hauttransplantationen und Narben. Da ist einfach so viel, was wichtig ist…
Wenn da so viele wichtige Themen sind, was hat dich bisher abgehalten?
Lena: Ich finde Spenden durchaus sinnvoll, aber habe mich einfach nie damit beschäftigt. Ich habe da keinen Bezug zu und wüsste gar nicht, wem ich da spenden sollte. Vermutlich eher einer größeren Organisation, weil die seriös sind. Aber ich kenne zu den genannten Bereichen keine. Ich wüsste auch einfach nicht, wie viel Geld angemessen wäre. Ich würde so an 20-25 Euro im Monat denken. Aber das ist bestimmt zu wenig, um was zu bewirken. Dann fühle ich mich schlecht und geizig. Und dann lasse ich es ganz. Am Ende ist es eine Mischung aus Faulheit und schlechtem Gewissen und dann verdränge ich es halt. Das funktioniert gut, weil es mir im Alltag nie begegnet.
Spenden eure Eltern? Wie ist es bei euch zu Hause gewesen?
Oliver: Nein. Wir hatten mal einen Nachbarn, dem ging‘s nicht gut. Dem haben meine Eltern viel geholfen. Aber Spenden? Nein. NGOs haben bei denen auch ein komisches Image. Man weiß halt nicht, wo das Geld versickert.
Lena: Nein, bei mir auch nicht. Mein Vater hat so ein soziales Lotterielos, aber das war’s. Meine Eltern sind nicht knausrig, aber ich weiß echt nicht, wie deren Haltung zum Spenden ist. Wir haben da noch nie drüber gesprochen. Auch nicht mit meinen Freunden. Eigentlich weiß ich von niemandem, ob die spenden oder nicht.
Wäre es denn finanziell ein Problem für euch zu spenden?
Lena: Nein. 50 Euro im Monat fände ich viel. Aber 20 Euro hat man ja immer über. Wenn ich überlege, wie viel Geld ich für Stuss ausgebe… Ich müsste mich dafür überhaupt nicht einschränken.
Oliver: Ich auch nicht. Ich würde das überhaupt nicht merken, wenn das wegginge vom Konto. Ich habe das nur bisher nicht in Betracht gezogen. Ich spare alles Geld, das ich am Ende des Monats über habe. Aber ich könnte natürlich auch 20 Euro weniger sparen. Das würde nichts ändern. Was ich mir aber schon überlegt habe: Ich möchte später nichts vererben. Wenn ich mal Kinder habe, sollen die mit 60 Jahren nicht mein Geld erben. Ich habe ja zu Lebzeit schon in die investiert. Erben verstärkt die soziale Ungleichheit, weil Einzelne dadurch doppelt profitieren. Mein Geld stattdessen an eine Organisation zu vererben, das kann ich mir durchaus vorstellen.
Welche NGO kann sich denn bei dir für die Erbschaft anmelden?
Oliver: Keine Ahnung. Ich kenne zu wenige NGOs. Ich wüsste aktuell nicht, wo mein Geld hingehen sollte. Da müsste man sich echt mit beschäftigen. Ich wüsste nicht mal, was genau mein Thema ist…
Lena: Das fällt mir auch so schwer, die richtigen Themen und NGOs zu finden. Man bräuchte so was wie den Wahl-O-Mat, den man füttert, und der einem dann passende NGOs ausspuckt. Also einen Spend-O-Mat.
Oliver: Ja, das wäre praktisch.
Wenn NGOs so wenig in eurem Leben stattfinden, wie könnten die das ändern?
Lena: Die müssten halt da sein, wo ich bin. Ich informiere mich ja fast ausschließlich über Social Media. Da klicke ich auch auf Artikel oder schaue mir Videos an, wenn die interessant klingen. Ich glaube, Influencermarketing würde da gut funktionieren. Wenn die Leute, denen ich folge, mich drauf aufmerksam machen und gleichzeitig sagen, dass das eine gute Sache ist. Bei Produkten finde ich das doof, aber in diesem Bereich wäre das sicher gut. Es müssen aber seriöse Quellen sein. Und ich würde nicht direkt über Facebook spenden. Das wäre mir zu unsicher. [überlegt] Podcasts finde ich auch super. Die würde ich mir von NGOs anhören, wenn die Themen gut sind und mich zum Nachdenken bringen. Und ich gucke sehr viele Serien. Da gibt es ja oft die Trigger-Warnungen und es wird auf Selbsthilfegruppen verwiesen. Da wäre es doch gut, wenn da auch ein Spendenaufruf bei wäre. Man ist ja durch die Serie voll für das Thema sensibilisiert.
Was wäre noch entscheidend, damit das Spenden für euch attraktiver wird?
Oliver: Man müsste auch was dafür bekommen. Dass man irgendwie beteiligt wird, nicht nur Geld gibt. Und damit meine ich nicht so eine Mitglieder-Zeitung oder so. Sondern vielleicht einen besonderen Status, z.B. Wikipedia-Supporter. Das muss ich nicht zwingend nach außen zeigen, aber ich will es für mich. Ich will Teil von etwas werden und stolz darauf sein. So ein Community-Gedanke ist einfach wichtig. Wenn ich nur spende, habe ich ja nichts davon. Das klingt jetzt nicht so sympathisch, aber ehrlich: Mir geht’s da auch um mich. Und so eine Community-Sache zieht halt immer.
Lena: Ja, dass man das nach außen zeigen kann, ist wohl in unserer Generation unerlässlich. Wenn man was Gutes tut, dann soll es auch jeder sehen. Ich lege im Supermarkt auch immer die Bioprodukte nach oben aufs Band. [lacht] Für mich ist das ganze Thema Spenden so neu und deswegen tue ich mich schwer damit. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Dabei kann man ja so viel machen. Zum Beispiel kann man ja seine alten Brillen spenden. Ich habe eine sehr starke Weitsichtigkeit und meine Brillen sind extrem teuer. Die alten, die in den Schubladen liegen, könnte ich ja schon mal spenden.
Oliver: Du hast da heute in jedem Fall was angestoßen.
Das freut mich und ich bleibe bei euch am Ball.
Wenn Sie sich mit Ihrer Organisation bei den zweien um eine Erstspende bewerben wollen, lassen Sie es mich wissen, ich leite Ihre begeisternden Projekte gerne weiter! :-)
Lesetipp: Vor einigen Jahren sprach ich mit Tim (30). Das Interview können Sie >> hier nachlesen. Er kommt aus einem Spendenhaushalt und zeigt, wer Spenden kennengelernt hat, setzt sich auch in jungen Jahren mit NGOs auseinander. Die Erstspende ist dann eine Frage des Zeitpunktes und Anstoßes. Lena und Oliver müssen aber erst noch in die Spendenwelt eingeführt werden. Sich diese Mühe zu machen, ist die Aufgabe der ganzen Branche.
* Das Interview stammt aus dem Jahr 2021. Lena und Oliver gehören zur Generation Y.
In der Reihe GOLDWIND fragt – Spender antworten kommen Spender selbst zu Wort, um ihre Sicht der Dinge zu schildern. Die Auswahl der Interviewpartner erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität. Namen von Organisationen werden weitestgehend neutralisiert, da Spenderaussagen hier nur Einzelmeinungen in Bezug auf die genannten Organisationen darstellen können. Das Augenmerk wird auf das grundsätzliche Spenderempfinden gerichtet.