Anton forscht und lehrt an einer nordrheinwestfälischen Universität. Zu spenden ist für ihn eine Selbstverständlichkeit. Er fühlt sich damit jedoch recht allein und hat einen klaren Auftrag an die ganze Branche. Darüber hinaus verrät er im GOLDWIND-Interview, wie intensiv er als promovierter BWLer die Jahresberichte von Organisationen studiert.
Anton, wann hast du das erste Mal gespendet?
Eigentlich schon in der Grundschule. Wenn ich in der Fußgängerzone Obdachlose gesehen habe, habe ich immer was gespendet. Ich habe gerne gegeben – damals natürlich nur im Rahmen meiner Möglichkeiten. Regelmäßig zu spenden, damit habe ich erst relativ spät angefangen. So nach dem Studium mit dem Start der Arbeit. Da habe ich eine Kinderpatenschaft übernommen.
Warum hast du dich für eine Patenschaft entschieden?
Ich wollte was Regelmäßiges machen und ich wollte die visuelle Komponente. Für den Start war mir wichtig zu sehen, was passiert. Man kann ja auch so jeden Monat spenden, ohne dass man genau weiß, was man da so tut. Mittlerweile sind mir die Berichte nicht mehr so wichtig. Ich weiß jetzt, dass es den Kindern gut geht. Die Details brauche ich nicht mehr unbedingt. Ich schaue nur noch ab und zu in die Briefe rein.
Spendest du auch über die Patenschaft hinaus?
Ja, ich spende noch unregelmäßig für UNICEF und Ärzte ohne Grenzen sowie für kleinere Vereine, die Tierschutz im Ausland betreiben. Der Fokus liegt aber mittlerweile mehr auf Ärzte ohne Grenzen. UNICEF gehört ja zu den Vereinten Nationen und wird auch von denen finanziell unterstützt. Ärzte ohne Grenzen muss sich selbst finanzieren und ist mehr auf zivilgesellschaftliche Hilfe angewiesen. Das ist zumindest mein Gefühl.
Ist das nur ein Gefühl oder hast du das genauer recherchiert, zum Beispiel in den Jahresberichten?
Nein, habe ich nicht. Als BWLer halte ich mich an das „sausage principle“, das besagt: if you love something, never find out how it is made. Ich will mir die Zahlen gar nicht im Detail anschauen. Ich weiß ja sowohl, dass Marketing nötig ist, als auch, dass viele Marketingmaßnahmen ins Leere laufen – man weiß nur vorher leider nie, welche…. Ich sehe dann die Ausgaben, weiß aber nicht wie effektiv das Ganze war. Letztlich vertraue ich auf Zertifizierungsmechanismen, wie das DZI-Siegel. Wenn ich mal woanders spende, wie zum Beispiel beim Ukraine-Krieg, dann achte ich auf das Siegel. Ich könnte mir die Zahlen sicher auch allein anschauen, aber das ist mir schlicht zu zeitintensiv. Ich vertraue dem Siegel und damit der Organisation, mehr prüfe ich nicht.
Zurück zur Kommunikation. Wie sieht es bei denen aus, wo du keine Patenschaft hast: Wie intensiv liest du deren Post?
Wenig. Die Tierschutzvereine haben eine höhere Präsenz, denn denen folge ich auf YouTube. Die Videos sind natürlich einprägsamer. Aber ehrlich gesagt, Videos von Ärzte ohne Grenzen stelle ich mir auch deutlich bedrückender vor als wenn Straßenhunde gerettet werden. Bei den Hunden ist mehr „Feelgood“. Die zeigen, dass die Arbeit sinnhaft ist und verzichten darauf, permanent zu wiederholen, dass das eh alles schrecklich und grausam ist.
Bei Ärzte ohne Grenzen fände ich Videos interessant, die mehr hinter den Kulissen spielen. Z.B. die unvorstellbare Logistik, die nötig ist, von dem Moment, wenn ein Arzt seine Praxis in Deutschland verlässt bis er im Land ankommt. Wenn die mal einen Arzt exemplarisch begleiten, würde ich mir das anschauen.
Gibt es etwas, dass du dir von den Organisationen wünschen würdest? Fehlt dir etwas in der Kommunikation?
Ich würde mir wünschen, dass der Fokus mehr darauf gelegt wird, wie wichtig das Spenden für uns als Gesellschaft ist. Dass die Organisationen eben die Bereiche abdecken, die der Staat gar nicht oder nur ineffektiv bedienen kann. Der kann nur strukturelle Probleme angehen, aber nicht vor Ort wirken. Es sollte mehr herausgestellt werden, welche Verluste wir als Gesellschaft haben, wenn das wegfällt. Ich fände es gut, wenn es da mehr Bewusstsein in der Bevölkerung geben würde. In der Industrie gibt es dafür Dachverbände, die die branchenrelevanten Themen setzen. Mir fehlt das im gemeinnützigen Sektor. In meinem persönlichen Umfeld gibt es nicht viele Leute, die regelmäßig Geld spenden. Dabei habe ich einen durchaus wohlsituierten Freundeskreis. Ich finde das für ein reiches Land wie Deutschland skandalös.
Lieber Anton, dem ist nichts hinzuzufügen. Vielen Dank für das Gespräch und deine Offenheit!
Passend zum zweiten Artikel dieser Ausgabe, V wie Vertrauen, berichtet Anton, wo sein Vertrauen herrührt. Da ist zum einen das dort beschriebene „systematische Bauchgefühl“ (in Antons Fall basiert es auf dem DZI-Siegel) sowie im Folgenden die wiederholte Erfahrung mit den Organisationen, die regelmäßig von ihren Erfolgen berichten (Patenschaftsberichte, Videos). Je stärker sein Vertrauen gefestigt ist, desto seltener benötigt er neue Berichte.
* Das Interview stammt aus dem Jahr 2022. Anton ist an der Grenze zwischen zwei Generationen geboren (Generation Y und X) und nicht eindeutig zuzuordnen.
In der Reihe GOLDWIND fragt – Spender antworten kommen Spender selbst zu Wort, um ihre Sicht der Dinge zu schildern. Die Auswahl der Interviewpartner erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität. Das Augenmerk liegt auf dem individuellen Spenderempfinden, das jedoch oft allgemein bekannte Erkenntnisse widerspiegelt.