Das Wort „Planungssicherheit“ verfehlt meine „Worte-mit-mehr-als-20-Buchstaben-sind-im-Fundraising-Tabu“-Regel nur knapp. Und dennoch ist es ein Unwort, denn es offenbart eine Haltung, die maximal NGO-zentriert ist. Spender-zentriertes Fundraising muss sich mehr Mühe geben. Aber die lohnt sich!
Bei einem Kommunikationstraining für Telefonfundraising wurde ich mal Zeugin eines für mich denkwürdigen Spendergespräches, das ungefähr so startete:
Fundraiserin: Guten Tag, Herr XY. Ich rufe Sie an, um mich für Ihre letzte Spende zu bedanken.
Spender: Ah ja, ich weiß schon. Jetzt hätten Sie gerne, dass ich Ihnen monatlich spende. … Wegen Ihrer Planungssicherheit.
Fundraiserin: [freut sich] Ja, genau deswegen rufe ich an. Planungssicherheit ist enorm wichtig für uns. Es wäre daher toll, wenn Sie uns dauerhaft unterstützen könnten.
Ich war etwas erschrocken. Dieser Herr kannte sich ja gut aus, auch den Rest des Gespräches konnte er ganz gut vorhersagen. Und dass er gleich so ein „unsexy“ Wort wie „Planungssicherheit“ raushaut, ließ sich leider nicht mit einem vorherigen Job als Finanzbeamter erklären. Nein, er hatte schlicht den immer gleichen Sprachduktus vieler NGOs schon verinnerlicht. Für mich KEIN Zeichen gelungener Kommunikation.
Ältere Menschen werden nicht nur von Spendenmailings geflutet, die sich – seien wir ehrlich – in vielen Aspekten stark ähneln. Die sogenannten Gießkannenspender*innen unter ihnen (=Menschen, die ihre Spende in kleine Beträge auf viele NGOs verteilen) werden im Anschluss so oft angerufen, dass sie die Gesprächsleitfäden schnell drauf haben. Die ähneln sich nämlich noch viel mehr. Um Inhalte (Projektvorhaben) geht es dabei selten – oder nur am Rande. Im Fokus steht das Ziel der NGO. Oft ist dieses Ziel eine Dauerspende „einzutüten“. Und als Argument dafür geben viel zu viele Organisationen ein und dasselbe an: Wir haben dann mehr Planungssicherheit.
Aber wem nutzt diese Planungssicherheit? Erstmal nur der Organisation. Die meisten Spender*innen haben stattdessen das Gefühl, mit einer Dauerspende Kontrolle abzugeben. Das ist nicht faktisch begründet, sondern emotional. Für viele fühlt es sich an, als ob sie eine Verpflichtung eingehen, aus der sie nicht so leicht wieder rauskommen. Eine Einzelspende wirkt aus Spendersicht flexibler und selbstbestimmbarer. Wenn Fundraiser*innen also für eine Dauerspende mit mehr Planungssicherheit werben (egal ob telefonisch oder in Mailings), heißt das übersetzt: Stelle bitte deine Bedürfnisse zurück, um unseren den Vorzug zu geben.
Spenderzentriertes Fundraising bedeutet aber, den Nutzen von den Spender*innen her zu denken. Die NGO hat ein Ziel, der/die Spender*in einen Nutzen. So haben beide etwas davon!
Kleine Übung
Überlegen Sie mal für sich: Welchen Nutzen hat es für Spender*innen, wenn sie regelmäßig spenden? Welcher Vorteil entsteht für sie? (Für den Anfang können Sie auch von sich ausgehen: Warum würde ich eine Dauerspende vorziehen?)
Denkanstoß: Es ist bequemer, muss nur einmal eingerichtet werden. Spende kann nicht vergessen werden. Jeden Monat die Freude haben, Gutes zu tun. Die Spende wird wirkungsvoller. (anstatt: WIR haben weniger Verwaltungskosten) …
Sicher fällt Ihnen noch mehr ein. Und wenn nicht, wird es höchste Zeit mit Ihren Spender*innen darüber zu reden. Fragen Sie bei Ihren Dauerspender*innen nach, warum diese sich für eine regelmäßige Spende entschieden haben, statt weiter nach Argumenten zu suchen, die Ihnen nutzen.
Dabei können Sie auch in die Tiefe gehen: Welche Funktion erfüllt eine Dauerspende aus psychologischer Sicht? Warum spenden Menschen dauerhaft, obwohl es viele innere Wiederstände gibt (und nein, „Planungssicherheit“ ist sicher nicht die tiefenpsychologische Antwort ;-) ). Welche NGO-spezifischen Argumente für die Dauerspende gibt es, um sich besser von den anderen zu unterscheiden?
So können Sie sich vom NGO-zentrierten Kommunikationseinerlei à la „Helfen Sie uns zu helfen. Am liebsten regelmäßig, damit wir mehr Planungssicherheit haben.“ verabschieden.
In obigem Telefonbeispiel kam es trotz der Freude der Fundraiserin über diesen vorbereiteten Spender im Übrigen zu keiner Dauerspende. Der Herr hatte schon zu viele dieser Gespräche geführt und entsprechende Gegenargumente parat. Meine klare Empfehlung lautete: Die Telefongespräche (vor allem zu Beginn) stärker aufzubrechen und weniger vorhersehbar zu machen. Fundraisinggespräche sollten sich nicht nur dadurch unterscheiden, dass der Name der NGO ersetzt und eine kurze 3-Satz-Projektbeschreibung eingestreut wird.
Bei einer klugen Gesprächsführung verraten einem die Gesprächspartner*innen ihren Nutzen sogar ungefragt, sodass anschließend von dort aus argumentiert werden kann. Und wenn der Dauerspende zugestimmt wurde, können Sie immer noch sagen: „Das ist schön, denn so können auch wir besser planen.“ So wird die Planungssicherheit zum i-Tüpfelchen der Spendenmotivation.
GOLDWIND wünscht Ihnen viel Erfolg beim Weg raus aus der „Planungssicherheitsfalle“ hin zu mehr Spenderzentrierung. Denn Spenderzentrierung stärkt die Spenderbindung!
Wenn Sie das Thema Dauerspende psychologisch beleuchten wollen (im Rahmen einer Beratung oder Befragungsstudie), sprechen Sie mich gerne an!