Millennials haben eine andere Herangehensweise an Wohltätigkeit: Sie möchten das Gefühl haben, aktiv etwas Positives zu bewirken – und das auf eine Art, die sie emotional anspricht und in ihren Lifestyle passt. Klassische Spendenaufrufe, die auf Mitleid und Problemfokussierung setzen, treffen auf immer weniger Resonanz. Stattdessen unterstützen Millennials gesellschaftliche Veränderung, indem sie verstärkt Produkte von Unternehmen konsumieren, die sich gesellschaftliche Verantwortung auf die Fahnen geschrieben haben. Sie zahlen gerne mehr, wenn sie das Gefühl haben, dass sie mit ihrem Kauf der Welt Gutes tun.
>> Hat das klassische Spendenmodell ausgedient?
Es ist schon etwas her, als ich einem Vortrag beim Regionaltreffen des Marktforschungsverbandes lauschte. Das Thema war, wie wichtig der „Purpose“ eines Unternehmens aus Sicht der Konsumenten sei. Für Unternehmen, die sich einen „Purpose“ (engl. für Zweck, Bestimmung) gegeben haben, ist Gewinnmaximierung nicht mehr das alleinige Unternehmensziel. Sie haben in ihrem Geschäftsmodell soziale, ökologische oder gesellschaftliche Verantwortung verankert. Sie bieten Produkte oder Dienstleistungen an, die nicht nur dem Konsum dienen, sondern gleichzeitig einen positiven Beitrag zu einem größeren gesellschaftlichen oder ökologischen Ziel leisten. Social Businesses basieren auf diesem Ansatz. Die grüne Suchmaschine Ecosia verzichtet auf Teile ihres Gewinnes und schafft „Bäume statt Profit“. Aber auch traditionelle Unternehmen erkennen den „Wert des Mehrwerts“. Zum Beispiel vertritt ADIDAS das Purpose-Statement „Durch Sport können wir Leben verändern“. Der Outdoor-Bekleidungshersteller Patagonia hat sich keinem geringerem Ziel verschrieben als „den Heimatplaneten zu retten“. Umweltschutz zum Anziehen.
Die Studie, die im Vortrag vorgestellt wurde, brachte zum Ausdruck, dass der Purpose immer wichtiger wird, um als Unternehmen zu bestehen. Ohne gesellschaftliches Ziel wird es in Zukunft schwierig als Marke zu bestehen. Insbesondere junge Kund:innen wollen „Produkte mit Sinn“. Seit dem Vortrag treibt mich die Frage um, was das für den gemeinnützigen Sektor bedeutet, wenn Unternehmen in unserem Fahrwasser fischen? Unternehmen mit einem viel größerem Werbe- und Marktforschungsbudget, die sich schon längst auf die Millennials (oder auch: Gen Y) eingestellt haben. Wenn die nun großflächig die Themen Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit besetzen, was bleibt für uns?
Produkt + Purpose = optimale Verbindung für Millennials
Bekomme, was du willst UND tue Gutes dabei. Für die Gen Y schließen sich Spaß, Bedürfnisbefriedigung und persönliches Engagement nicht aus.
Das Problem: Dieser Gedanke rüttelt am Selbstverständnis vieler NGOs. Wer in einer gemeinnützigen Organisationen arbeitet, sieht täglich wie die Welt in Flammen steht: Krisen, Armut, Ungleichheit und Klimawandel erfordern schnelles, entschlossenes Handeln. Viele NGOs haben sich seit Jahrzehnten der Aufgabe verschrieben, diesen Problemen zu begegnen, oft mit einem Ansatz, der auf Aufklärung, Problembeschreibung, moralischer Verpflichtung, Altruismus und Mitgefühl basiert. Bausteine wie Spaß, Gegenleistung, Schlagwort-Kommunikation und „Macher-Mentalität“ gilt vielen als nicht passend, unseriös und zu verkürzt.
Damit kommunizieren und agieren sie jedoch an den Millennials vorbei und laufen Gefahr, deren Einsatz für die Gesellschaft an Unternehmen zu verlieren, die auf diese Zielgruppe besser eingestellt sind. Warum noch spenden, wenn man gerade erst mit einer Fairtrade-Bio-Jokolade die Welt von Kinderarbeit befreit hat? Und lecker war es auch noch. Eine Spende dagegen hat zu oft einen bitteren Beigeschmack, denn man bekommt das Leid der Welt gratis dazu. Und ein schlechtes Gewissen zu bekommen rangiert in der Beliebtheitsskala der Gen Y irgendwo zwischen Fußnagelpilz und linearem Fernsehen.
Viele Millennials sind erfüllt vom Klischee, dass Spendenaufrufe voller Grausamkeiten sind, von hungernden Kindern erzählen und schlimmstes Tierleid zeigen. So wie sie es bei den Spendenbriefen ihrer Großeltern gesehen haben. Spenden und gemeinnützige Organisationen sind negativ behaftet, da frei von Spaß. Dieses Klischee muss durchbrochen werden! Es geht darum, dieser Generation zu zeigen, dass sie auch bei NGOs ein Teil von etwas Größerem sein können – und dass es auch im Dritten Sektor Spaß machen kann, die Welt zu verbessern. Dass Gutes tun nicht nur eine Nebenzutat der Schokolade ist, sondern der Hauptbestandteil sein kann.
Wichtig ist, neue Formen der Ansprache und des Engagements zu finden, die diese Generation abholen und mobilisieren. Es geht nicht um die Entscheidung zwischen Aufklärung und Spaß, sondern darum, wie man die Motive und Wünsche potenzieller Spender:innen in Einklang mit der eigenen Mission bringt.
Von erfolgreichen Social Business und Unternehmen mit Purpose lässt sich viel lernen und übernehmen. Die machen das in der Ansprache nämlich ziemlich gut. NGOs haben einen entscheidenden Vorteil: Sie haben keinen wirtschaftlichen Antrieb – ihre Mission war und ist es, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Während Unternehmen „Purpose“ als zusätzlichen Wert für ihre Produkte nutzen, war dieser für NGOs immer der zentrale Kern Sie haben einen unverfälschten Zweck, der auf einer tiefen, langjährigen Überzeugung und Erfahrung basiert. Ein Plus bei Millennials, denn sie suchen Authentizität und echte Wirkung. NGOs bieten genau das. Dieser Unterschied sollte in der Kommunikation deutlich gemacht werden – und zwar selbstbewusst (statt aufklärerisch). Feiert, was ihr seid!
Unternehmen müssen erst noch beweisen, dass sie ihren Purpose auch wie versprochen umsetzen und dauerhaft durchhalten. Während Unternehmen letztlich doch Profit anstreben, können NGOs darauf verweisen, dass die Spenden zu einem viel höheren Anteil in den guten Zweck fließen und auch in Zukunft Lösungen ermöglichen. Freude über Freude, so weit das Auge reicht.
Die Spendenkultur verändert sich und das Fundraising muss darauf reagieren, um nicht von Unternehmen mit Purpose abgehängt zu werden. Die Haltung der gesamten Organisation, insbesondere der etablierten Organisationen, muss sich ändern. Sie sollten endlich sich von der Idee verabschieden, dass Spenden mit Entbehrung, Verzicht und Mitleid gleichgesetzt wird. Spenden darf und soll Spaß machen – es ist keine Frage des Entweder-oder, sondern des Wie. Millennials suchen nach sinnvollen Wegen, um sich einzubringen, und NGOs können diesen Weg bieten. Indem wir Kommunikationswege und Fundraisinginstrumente entwickeln, die Spaß, Bedürfnisbefriedigung und den Wunsch nach echter Veränderung verbinden, können wir konkurrenzfähig bleiben. Und sogar mehr: Wir können besser sein – denn wir sind das Original!