Der selbständige Berater Lars aus Berlin ist offen für gesellschaftsrelevante Themen und bereit, diese zu unterstützen. Wenn ihn ein Thema packt, befasst er sich auch intensiv damit und freut sich über Nachrichten der Organisation. Manchmal reicht ihm aber auch ein Dankeschön. Im GOLDWIND-Interview erklärt Lars, welche Kommunikationsform er ablehnt und was er sich stattdessen wünschen würde.
Lars, wie ist dein Spendenverhalten? Spendest du regelmäßig oder punktuell?
Sowohl als auch. Regelmäßig spende ich an den Verein „Mein Grundeinkommen“. Da bin ich Crowdhörnchen, so heißen die, die monatlich spenden. Ich finde die Idee des bedingungslosen Grundeinkommen richtig gut und unterstütze das gerne. Ich beschäftige mich schon einige Jahre damit.
Ansonsten spende ich nach Bedarf, z.B. zu Beginn der Ukrainekrise. Oder an Obdachlose auf der Straße. Da entwickelt sich manchmal ein nettes Gespräch. Ich gebe aber nur denen was, die ruhig an einer Ecke sitzen. Die Leute mit den Zeitschriften sind mir zu professionell.
Was ich gar nicht leiden kann, sind die Leute, die mich auf der Straße ansprechen und direkt ein Abo wollen. Mich nervt die Art der Ansprache und die setzen einen so unter Druck. Schon beim ersten Hallo ist klar, worauf es hinausläuft. Man darf auch nicht einfach Geld spenden, es muss das Abo sein.
Wie war das bei der Ukrainekrise, wie ist es dazu gekommen, dass du gespendet hast? Bist du von einer Organisation angesprochen worden oder hast du dich „selbst auf den Weg gemacht“?
Ich kam von einem Kunden zurück, bin am Bahnhof ausgestiegen und da waren die Flüchtlinge aus der Ukraine angekommen. Da saßen die vielen Frauen und Kinder und die ganze Situation war plötzlich so mitten in meinem Leben. Ich war richtig mitgenommen und hatte sofort das Gefühl, du musst spenden. Ich habe mich gefragt, was ich wohl in so einer Situation machen würde. Wo könnte ich hin? Dieser Gedanke verfolgt mich seit 2015. Da habe ich in einem Buchladen eine Postkarte gesehen, da stand drauf „Wenn du flüchten musst, wohin gehst du?“ Ich hatte damals keine Antwort und ich habe sie bis heute nicht. Wohin geht man, wenn man außerhalb des eigenen Landes niemand kennt? Was tust du, wenn du in einem Land landest, dessen Sprache du nicht sprichst? Dann ist man auf Leute angewiesen, die es gut mit einem meinen. Diese Gedanken haben meine Sicht auf die Dinge verändert. Als ich an dem Tag nach Hause kam, habe ich noch am selben Abend an die Flüchtlingshilfe gespendet.
Wie ging es dann weiter? Hast du nach deiner Spende noch Kontakt zu der Organisation gehabt?
Ja, ich habe einen Brief bekommen, wo sie sich bedankt haben und Anfang des Jahres konnte ich die Spendenquittung online herunterladen. Das war alles.
Hättest du dir mehr Kommunikation gewünscht?
Nein, in dem Fall nicht. Mir war wichtig, spontan zu helfen und dann war das für mich abgeschlossen. Aber es hat mich gefreut zu hören, dass das Geld angekommen ist.
Wie ist es bei „Mein Grundeinkommen“, wie kommuniziert der Verein mit dir als regelmäßigen Spender?
Die kommunizieren viel. Da bekomme ich immer wieder Infos zu dem Thema, z.B. aus wissenschaftlicher Sicht, zu den Spendenständen, Hinweise zu Themen auf der Webseite, Aktionen wie Freundschaftswerbungen und vieles mehr. Da kommen auch regelmäßig Berichte von denen, die in den Genuss des Grundeinkommens gekommen sind und was das bei denen verändert hat – oder auch nicht. Es ist spannend zu sehen, ob und was es mit den Menschen macht.
Die schicken viel, aber es ist nicht aufdringlich, es nervt nicht. Ich kann es mir angucken, wann ich will und Zeit habe. Es bleibt mir überlassen. Nicht wie bei dem Mann am Bahnhof, der sich mir in den Weg stellt. Das nervt, denn der will mich dazu zwingen, mich mit etwas zu befassen.
Wenn du einen Wunsch an gemeinnützige Organisationen frei hättest, z.B. wie sie dich ansprechen oder für sich gewinnen sollten, was wäre das?
Hmm… Spontan hätte ich den Gedanken, es wäre super, wenn es Veranstaltungen oder Foren oder Begegnungen gebe, wo man frei mit einem Thema in Berührung kommen kann. Ohne dass die dich sofort unter Druck setzen, also mit Methoden arbeiten, wo ich nicht Nein sagen kann. Es darf nicht aufdringlich sein. Auch dieses ewig schlechte Gewissen, das einem eingepflanzt werden soll mit Bildern von hungernden Kindern und so, ist aus meiner Sicht der falsche Ansatz. Ich wünsche mir eher eine Aktion, die einen zum Nachdenken anregt, wie die Postkarte, die ich im Buchladen gesehen habe. Etwas, dass dir zeigt, dass du in einer privilegierten Situation lebst, aber was tun kannst. Und dass ich eine Wahl habe, wie ich helfen kann.
Vielen Dank, Lars, dass du deine Gedanken geteilt hast!
Für Lars ist es enorm wichtig, die Hoheit über seine Entscheidungsfreiheit zu behalten. Wenn er den Eindruck hat, dass ihm diese genommen wird, fühlt er sich unter Druck gesetzt, ist genervt und reagiert mit Ablehnung. Der Obdachlose mit der Spendentasse lässt Lars die Wahl, der obdachlose Straßenzeitungsverkäufer löst in ihm eine Abwehrreaktion aus, weil er fürchtet, spenden zu "müssen". In der Psychologie bezeichnet man das als Reaktanz. In einem früheren Spenderinterview mit >> Julia (Gen X) sind wir dem schon einmal begegnet.
Was Lars‘ Äußerungen ebenfalls gut zeigen: In der Kommunikation ist Relevanz wichtiger als Penetranz. Ungefragte Kommunikation verabscheut Lars, weil er sich in einer Zwickmühle wähnt. Wenn er sich für eine Spende entschieden hat, freut er sich aber Post. Je nach persönlicher Relevanz des Themas über mehr oder weniger. Viele Organisationen fragen mich: Wie oft sollen wir Spender:innen anschreiben, was ist die optimale Häufigkeit? Ich antworte stets: Das kommt darauf an, wie relevant Sie für Ihre Spender:innen sind.
Achten Sie also darauf, relevant zu werden und zu bleiben! Dann dürfen Sie häufiger kommunizieren, bleiben im Gedächtnis und stärken die Bindung.
* Das Interview stammt aus dem Jahr 2023. Lars gehört zur Generation X.
In der Reihe GOLDWIND fragt – Spender antworten kommen Spender:innen selbst zu Wort, um ihre Sicht der Dinge zu schildern. Die Auswahl der Interviewpartner erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität. Das Augenmerk liegt auf dem individuellen Spenderempfinden, das jedoch oft allgemein bekannte Erkenntnisse widerspiegelt.