Dagmar (63) hat vor einiger Zeit ihre Selbständigkeit beendet, um sich mehr ihren Enkeln, Tieren und sozialem Engagement zu widmen. Die Zeit ihres aktiven Unruhestands nutzt sie, um sich über Missstände zu informieren: Tierwohl, Klimaschutz, Flüchtlingskrise sind ihr wichtig. Dafür spendet sie viel und häufig – eigentlich… GOLDWIND verrät sie, was ihr zum letzten Spendenimpuls fehlt.
Dagmar, Sie spenden schon seit vielen Jahren, wonach wählen Sie die Organisationen aus?
Früher habe ich sehr impulsiv gespendet. Wenn mich jemand gefragt hat, hat er eine Spende bekommen. Aber ich bin da jetzt viel vorsichtiger. Ich war früher nie misstrauisch. In den letzten 10 Jahren habe ich aber angefangen, mich mehr zu informieren und festgestellt, dass nicht immer alles so ist, wie einem weis gemacht werden soll. Vor allem die Lebensmittelindustrie und Politik hintergeht uns so oft. Deswegen schaue ich jetzt überall genauer hin, auch beim Spenden. Am liebsten gebe ich Geld an Initiativen vor Ort oder an Bekannte, die sich privat einsetzen. Dann kann ich nachprüfen, dass mein Geld ankommt. Bei großen Organisationen fällt es mir schwer zu verstehen, ob die seriös sind oder nicht. Ich bekomme viele Spendenmails. Das sind zum Teil tolle Projekte, aber ich bin unsicher, wie die arbeiten.
Was würden Sie da gerne wissen?
Zum Beispiel wie viel Geld in die Verwaltung geht und wie viel in die Projekte. Wie viel die Vorstände verdienen oder ob die das ehrenamtlich machen. Ich weiß nicht, wo ich das nachschauen soll.
Haben Sie es schon mal mit den Jahresberichten versucht?
Oh je…das sind immer so viele Seiten. Bis ich das da gefunden habe… Hmmm, vermutlich müsste ich da intensiver suchen. Aber eigentlich habe ich dazu keine Lust. Ganz ehrlich? Die wollen doch was von mir, dann sollen die mir die elementarsten Infos zur Verfügung stellen, damit ich mich schnell entscheiden kann. Bei Greenpeace ist das ganz einfach. Die hatten eine Mail geschickt und ohne danach zu suchen, habe ich eine Grafik gesehen, die mir die Kosten kurz und knapp aufgezeigt hat. Das fand ich extrem sympathisch. Das war so offen, die hatten nichts zu verstecken, da hatte ich sofort Vertrauen und habe gespendet. Andere Mails, die ich gut finde, liegen ewig im Posteingang, weil ich erst nach den Kosten suchen will bevor ich spende. Und obwohl ich es mir fest vornehme, bin ich dann doch zu faul und spende nicht.
Sie haben von Spendenmails gesprochen. Wie empfinden Sie die Kommunikation der Organisationen?
Ich habe ja früher viel mehr und an viele unterschiedliche Organisationen gespendet. Da bekomme ich bis heute ständig Briefe. Das sind B e r g e von ungeöffneter Post. Eine absolute Verschwendung. Da wird mir manchmal schlecht, wenn ich das sehe. Ich nehme mir schon so lange vor, denen endlich mal zu schreiben, dass die das lassen sollen… Ich öffne eigentlich nur noch die Post, wo ich meine Patenschaft habe. Aber die könnten von mir aus auch mehr online machen. Ich habe zum Beispiel meinen Enkeln zu Weihnachten Kinderpatenschaften geschenkt, weil ich das eine gute Sache finde – und weil die eh alles haben. Ok, die Jungs waren nicht so begeistert, aber meine Enkelin fand es am Anfang gut. Da kommt aber nur Post zu mir. Ich habe da schon angerufen und gefragt, ob die das meiner Enkelin nicht per Mail schicken können. Aber das kriegen die nicht hin, es geht nur per Post. Aber das interessiert meine Enkelin nicht. So bleibt es halt ungelesen… Ich finde, da vergeben die eine Chance.
Wäre Ihnen eine reine Onlinekommunikation generell lieber?
Ja, vielleicht. Es kostet bestimmt weniger. Und diese ewige Bettelei in den Briefen. Da kommt nichts anderes. Ich finde im Moment gut, was der NABU macht. Der schickt ganze viel Mails, die treffen voll mein Herz. Da sind so viele gute Ideen und Anregungen bei.
Sie meinen die Mails vom NABU, die seit dem Ausbruch des Corona-Virus mehrmals wöchentlich [bis zu 4 Stück pro Woche] verschickt werden? Die sind Sie weniger leid als die Briefe, die ja deutlich seltener kommen?
Ja. Da sind viele Tipps und Infos für mich drin. Und eine E-Mail, die mal nicht ganz so interessant ist, klickt man einfacher weg - mit weniger schlechtem Gewissen. [lacht] Ich bekomme jeden Tag 6-10 Mails von unterschiedlichen Organisationen. Vor allem Petitionen. Ich lese sie alle durch, zumindest grob. Dann sortiere ich, was mich interessiert und was nicht und ob ich aktiv werden kann. Beim NABU will ich auch schon länger spenden. Ich muss mich nur noch auf die Suche nach den Verwaltungskosten machen…
Liebe Dagmar, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei der Suche.
GOLDWIND analysiert:
Dagmar verdeutlicht typische Babyboomer-Denkweisen: Sie ist informierter als vorhergehende Generationen. Sie ist misstrauischer, weil es heute einfacher ist, hinter Fassaden zu blicken. Sie hat aber keine Lust, selbst aktiv zu werden. Diesen Service erwartet sie von den Organisationen. Da ist sie selbstbewusst. „Die wollen ja was von mir“, würde eine 80-Jährige Spenderin kaum sagen. Von Mails kann Dagmar nicht genug bekommen. Solange die Inhalte interessant sind, liest sie mehrere am Tag. Die Briefe, die sie erhält, erzählen ihr jedoch nichts Neues. Ohne sie zu öffnen, weiß sie, dass es ein Spendenaufruf ist.
Noch mehr Babyboomer-Stimmen finden Sie bei diesen Interviews:
Tatjana (56), Peter (62), Gabriele (59)
Lesetipp: Den GOLDWIND-Artikel Vom Gehorsam zum Anspruch. Babyboomer wollen gesehen werden können Sie >> hier herunterladen.
* Das Interview stammt aus dem Jahr 2020. Dagmar gehört zu den Babyboomern.
In der Reihe GOLDWIND fragt – Spender antworten kommen Spender selbst zu Wort, um ihre Sicht der Dinge zu schildern. Die Auswahl der Interviewpartner erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität. Namen von Organisationen werden weitestgehend neutralisiert, da Spenderaussagen hier nur Einzelmeinungen in Bezug auf die genannten Organisationen darstellen können. Das Augenmerk wird auf das grundsätzliche Spenderempfinden gerichtet.