Olaf hat sich vor kurzem als psychologischer Trainer und Berater selbständig gemacht. Während seines Studiums war er vielfältig ehrenamtlich engagiert, ging auf Projektreise ins Ausland und initiierte eine Spendenkampagne. Im GOLDWIND-Interview berichtet er, warum er heute kaum noch Kontakt zur NGO-Welt hat und welche Art von Spendenaufruf ihn überzeugen würde.
Olaf, spendest du aktuell Geld für gemeinnützige Zwecke?
Nach der Schule habe ich mich für ein Projekt in Madagascar engagiert und war auch vor Ort. Dort habe ich einen Jungen kennengelernt, der als kleines Kind von einem Baum gefallen ist. Sein Bein ist nach dem Bruch schief zusammengewachsen. Ich wollte dem Jungen helfen und habe einen Arzt gefunden, der das operieren würde und eine Spendenaktion initiiert. 3.000 Euro sind für die Operation zusammengekommen. Seitdem spende ich jährlich für diesen Jungen, um seine Schul- und Ausbildung zu finanzieren. Wir stehen auch noch lose in Kontakt. Die Spende läuft aber über die Organisation von damals.
Ist dir wichtig, dass du so einen konkreten Spendenzweck hast?
Mir ist wichtig, dass ich weiß, wie die Organisation arbeitet und das Geld verwendet. Als ich damals in Madagascar war, habe ich Leute von unterschiedlichen Organisationen kennengelernt. Die waren von madagassischen Organisationen ebenso wie von ausländischen, zum Teil namhaften großen NGOs. Und da habe ich ein großes Gefälle erlebt, wie die einzelnen Leute bezahlt wurden oder wie sie untergebracht waren. Das hat ehrlicherweise einen negativen Einfluss auf mich gehabt im Hinblick auf größere Organisationen.
Das heißt, du spendest seitdem aus Prinzip nicht an größere Organisationen?
Nicht ganz. Ich hatte mal eine Fördermitgliedschaft bei Ärzte ohne Grenzen. Das war noch am Anfang meines Studiums. Damals hatte ich einige Freunde, die Medizin studiert haben und später auch mal zu Ärzte ohne Grenzen wollten. Und dann waren da die Stände in der Fußgängerzone mit den Leuten, die so alt waren wie ich und die ich nett fand. Aber irgendwann fand ich, dass ich als Student ganz schön viel spende, gemessen an meiner finanziellen Situation. Da musste was weichen und das waren dann Ärzte ohne Grenzen. Ich finde immer noch wichtig, was die machen, aber zu Madagascar habe ich den persönlicheren Bezug.
Nimmst du in deinem Alltag Spendenaufrufe wahr? Wenn ja, wo begegnen sie dir?
Nicht wirklich. Früher sind viele bei mir reingeflogen. Irgendwann habe ich mich aber aus allen Newslettern ausgetragen. Am Ende lief es immer nur auf Spendenaufrufe hinaus. Mir war bewusst, dass die alle Geld brauchen und dass das wichtig ist, aber ich hatte nicht genug Geld überall aktiv zu werden. Das war dann eine Art Selbstschutz. Ich hatte permanent ein schlechtes Gewissen durch dieses latente Gefühl von ich könnte, ich müsste, ich sollte… Seitdem nehme ich nur noch die NGOs aus Madagascar wahr, zu denen der Kontakt noch besteht. Sonst tatsächlich nichts.
Im Moment beschäftigen mich einfach ganz andere Themen als während meiner NGO-Hochphase. Während des Studiums war ich da voll drin. Vor lauter Engagement habe ich eigentlich nur nebenbei studiert. Das hat sich sehr gedreht. Jetzt ist für mich der Beruf wichtig. Ich habe mich gerade selbständig gemacht und darauf liegt der Fokus. Die Situation ist auch so, dass ich noch kein regelmäßiges Einkommen habe und noch nicht abschätzen kann wie das mit der Selbständigkeit laufen wird. Ich will mich deswegen nirgends committen. Wenn ich heute die Stände von NGOs in der Fußgängerzone sehe, grüße ich freundlich, lasse mich aber auf kein Gespräch mehr ein.
Aber es ist nicht nur das: Ich war früher überzeugt, ich müsste die ganze Welt retten. Aber ich habe eingesehen, dass mein Wirkungsgrad deutlich kleiner ist. Jetzt denke ich, es ist wichtiger sich zu fokussieren. Das Motto „wenn viele Leute an vielen Orten viele kleine Dinge machen“ scheint mir mittlerweile sinnvoller als wenn einer allein das große Ding dreht oder meint, überall dabei sein zu müssen.
Wie könnte dich eine Organisation überzeugen, mit ihr „im Kleinen“ etwas zu bewegen? Wie sollten sie mit dir kommunizieren?
Hmm… Wenn ich an die Newsletter denke, dann würde ich mir ein positives Framing wünschen. Nach dem Motto: „Das oder jenes haben wir gemacht, das haben wir erreicht. Aktuell läuft dieses Projekt. Damit es weitergeht, brauchen wir dich.“ Was ich nicht hören will: „Hier brennt wieder was.“ Die Nachrichten sind schon voller Krisen. Wenn dann kommt „Hier ist noch eine Krise – du musst jetzt unbedingt“, dann macht mir das Stress. Da habe ich einfach keinen Bock drauf! Ich will lieber lesen, was konkret gemacht wird. Auch wenn die Situation schwierig ist, bekomme ich dann das Gefühl, dass die jemand im Griff hat – zumindest zum Teil – und versucht was zu gestalten. Das schätze ich auch an meinen Madagascar-Projekten: Da läuft nicht immer alles rund und in dem Dorf gibt es genug Krisen. Aber die überlegen immer wieder, was sie tun können, damit es beim nächsten Mal besser funktioniert. Das ist mir viel wichtiger als jemand, der nur versucht einen Brand zu löschen.
Lieber Olaf, Danke für das Gespräch und alles Gute sowohl für deine Madagascar-Projekte als auch für deine Selbständigkeit!
Bei Olaf zeigt sich zum einen ein klassischer Alters-/Lebensphaseneffekt: Da war der engagierte, aktive, idealistische junge Erwachsenen, der jetzt an dem Punkt ist, wo er sich ein Leben bzw. Berufsweg aufbaut und bei dem der „Realismus“ angekommen ist. Der ein oder andere kennt das aus der eigenen Biographie. Olaf mag sich zwar gerade nicht mit dem Thema Spenden beschäftigen wollen, aber er wird sich in der Zukunft sicher wieder mehr engagieren. Denn im Gegensatz zu manch anderen aus seiner Generation (vgl. >> Interview mit Lena & Oliver) hat er bereits erfahren, was Spenden bewirken können und hat erste Erfahrungen mit Organisationen gesammelt.
Gegen Ende des Gesprächs lässt uns Olaf zudem wissen, dass er ein Millennial ist. Sein Wunsch nach einer positiven, lösungsorientierten Kommunikation ist typisch für seine Generation. Sie wollen Leute sehen, die was gestalten und daran wollen sie teilhaben. Auf negative Kommunikation oder ein schlechtes Gewissen haben sie „keinen Bock“ und schirmen sich aktiv davon ab.
Lesen Sie mehr über den >> Unterschied zwischen Alters- und Generationeneffekt.
* Das Interview stammt aus dem Jahr 2024. Olaf gehört zur Generation Y.
In der Reihe GOLDWIND fragt – Spender antworten kommen Spender:innen selbst zu Wort, um ihre Sicht der Dinge zu schildern. Die Auswahl der Interviewpartner erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität. Das Augenmerk liegt auf dem individuellen Spenderempfinden, das jedoch oft allgemein bekannte Erkenntnisse widerspiegelt.