Spender*innen fordern Transparenz! Dieser Aussage wird wohl kaum ein*e Fundraiser*in widersprechen. Ich auch nicht. Aber wie wichtig ist Transparenz bei der Spendenentscheidung tatsächlich?
„Ehrlich gesagt, in die Organisationen fehlt mir das Vertrauen. Ich hab noch keine Organisation gefunden, bei der ich denke, das Geld geht wirklich dahin, wo es hin soll“, bedauert Julia, 36, in einem meiner Spenderinterviews. Und Tim, 30, bekräftigt: „Das ist das Problem. Wenn du etwas spenden willst, weißt du im Endeffekt nicht, was passiert. Es ist nicht so transparent, wie es eigentlich sein sollte.“ Auch Dagmar, 63, ist misstrauisch: „Früher habe ich sehr impulsiv gespendet. In den letzten 10 Jahren habe ich aber angefangen, mich mehr zu informieren. Vor allem die Lebensmittelindustrie und Politik hintergehen uns so oft. Deswegen schaue ich jetzt überall genauer hin, auch beim Spenden.“
Transparenz ist für Spender*innen nach eigener Aussage also ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung für oder gegen eine Organisation.
Wikipedia erklärt, Transparenz sei „eine Forderung bzw. ein für erstrebenswert gehaltener Zustand frei zugänglicher Informationen und stetiger Rechenschaft über Abläufe, Sachverhalte, Vorhaben und Entscheidungsprozesse“. Diese Definition bezieht sich zwar auf Transparenz in Politik und Demokratie, aber die meisten Organisationen würden ihren Transparenzanspruch vermutlich ähnlich beschreiben.
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, werden alljährlich Jahresberichte verfasst, die die erforderliche Rechenschaft ablegen soll. Jahresberichte gelten als Kernstück des Transparenzgedankens und viele Organisationen verwenden eine entsprechende Energie auf ihre Jahresberichte. Jetzt zum Jahresanfang wissen sicher einige ein Lied davon zu singen. Zum Teil sehr detailliert werden dann auf 30 bis 90 (sic!) Seiten Projekte, Projektbeteiligte, Projektentscheidungen, Sachverhalte und Finanzen offengelegt. Das ist transparent. Doch ist es das, was Spender*innen wollen?
Bei der eingangs zitierten Definition fokussieren viele Organisationen auf den Aspekt der „Rechenschaft“. Für Spender*innen ist aber etwas aber der erste Teil viel entscheidender, nämlich der „Zustand frei zugänglicher Informationen“. Was viele Organisationen bedauerlicherweise gerne ausklammern, wenn man mal versucht ihre Jahresberichte auf der Webseite aufzuspüren… Spender*innen wollen an die Informationen kommen können – d.h. nicht, dass sie sie tatsächlich berücksichtigen.
Eine kleine Anekdote, ebenfalls aus einem meiner Spenderinterviews, belegt das schön: „Ich habe irgendwann mal von allen Organisationen Rechenschaftsberichte angefordert“, berichtet Peter, 62. „Und die, die nicht reagierten oder zu viele Verwaltungskosten hatten, bekommen keine Spenden mehr.“ Auf meine Nachfrage, ob er die Jahresberichte immer noch regelmäßig prüfe, antwortet er: „Nein, das war eine besondere Aktion. Das habe ich so ein- bis zweimal gemacht. Und auch erst, nachdem ich schon eine längere Zeit gespendet hatte. Ehrlich gesagt…ich bekomme die ja zum Teil einfach so zugeschickt. Manche Organisationen informieren vierteljährlich, andere schicken die Berichte über das, was sie gemacht haben, einmal im Jahr zu. Ich schaue das eher so diagonal durch… Auf die Zahlen schaue ich gar nicht mehr.“
Als Psychologin und Marktforscherin weiß ich: Saying und Doing sind nicht immer dasselbe.
Aber wie kann das sein? Einerseits bemängeln die Spender*innen fehlende Transparenz, andererseits prüfen sie die ihnen zugesandten Jahresberichte nicht.
Bei Transparenz geht es – wie meist im Fundraising – ums Gefühl, nicht die Ratio. Die Eingangszitate belegen, dass viele Menschen zunehmend verunsichert sind. Trotz aller digitalen Möglichkeiten fühlt sich die Welt weniger transparent an als früher. Sie ist komplex und widersprüchlich. Doch diesen Widersprüchen möchten die Spender*innen gar nicht selbst intensiv nachspüren. Sie möchten einfach das Vertrauen erlangen: Hier ist es anders, hier ist Transparenz ein wichtiges Gebot. Daher sind leicht zugängliche sowie nachvollziehbare Informationen viel wichtiger als deren Detailtiefe.
Doch in den gut versteckten Jahresberichten gibt es zu allem Überfluss meist wenig anschauliche Geschichte oder wirkungsvolle Bilder zu sehen. Stattdessen: Bleiwüsten, Bürokratiesprache und Zahlenkolonnen. Viel zu anstrengend für die meisten Spender*innen und noch schlimmer: für viele nicht verständlich (>> also das Gegenteil von transparent). Auch Dagmar, die heute gerne genauer hinschauen möchte als früher, stöhnt beim Thema Jahresberichte: „Oh je…das sind immer so viele Seiten. Bis ich das da gefunden habe… Die wollen doch was von mir?!“
Transparenz heißt, nichts verstecken zu müssen. Daher sollten Jahresberichte auf die Startseite, damit sie gut sichtbar sind. So vermitteln sie das beruhigende Gefühl: Ich bin da, du kannst mich jederzeit lesen. Musst du aber nicht, denn wenn wir was zu verbergen hätten, wären wir besser versteckt.
Daneben das Wichtigste in einer einfachen Grafik, die jede*r (also wirklich jede*r) versteht und direkt ein - im besten Sinne offentransparentes – Gefühl vermittelt. Der Download des ausführlichen Jahresberichts bleibt denen vorbehalten, die wirklich tiefer einsteigen wollen. Den Ausdruck auf Hochglanzpapier bekommen die Großspender*innen, weniger zum Lesen, sondern als Wertschätzung. Und der Vorstand – denn der ist es, der den Jahresbericht in der Regel am sehnlichsten erwartet.
Wenn Sie noch etwas über T wie Tabuthema Spenden, Give-more-Tomorrow oder Toaster gegen Spende lesen möchten, finden Sie auch außerhalb des Glossars dazu Informationen.